Elternrat Ipsach
Kindergarten und Primarschule

Vortrag Medienkompetenz, 18.05.2022

Andrea Rocchi

Vortrag in der Pausenhalle der Primarschule Ipsach

Am gestrigen Abend, dem 18. Mai 2022, zog es circa 30 Interessierte zum Vortrag von ProJuventute zum Thema Medienkompetenz in die Pausenhalle der Primarschule Ipsach. Während des knapp zweistündigen Vortrages erläuterte uns Andrea Brönnimann anschaulich die Chancen und Risiken, die der Medienkonsum unserer Kinder mit sich bringt.

Das Thema ist allzeit brisant und betrifft offenbar alle Altersstufen der Primarschule. Die Referentin fragte Eingangs, welche Altersgruppen die Kinder haben, deren Eltern heute anwesend sind: vom Kindergarten bis zum Eintritt in die Sekundarstufe waren Eltern vertreten.

Die Erwartungen an den Vortrag waren also gross, wurden jedoch gleich am Anfang des Vortrages gedämpft: ein Allgemeinrezept für den Umgang unserer Kinder mit digitalen Medien würden wir heute nicht bekommen. Was wir hingegen bekamen, waren sehr viele gute Tipps und Denkanstösse. Und natürlich Diskussionen während der Pause und nach dem Vortrag – auch dafür war Zeit vorhanden.

Digitale Medien – Fluch oder Segen für unsere Kinder?


Wie immer im Leben kommt es auch hier darauf an – auf Qualität und Quantität.

Bei der Qualität gilt es zu unterscheiden zwischen Medienkonsum und Mediennutzung. Was tut mein Kind, wenn es am Smartphone oder am Computer sitzt. Nutzt es die Medien sinnvoll? Bildet es sich weiter? Bereitet es sich auf die nächste Leistungskontrolle vor? Oder nutzt es die Medien nur als Zeitvertreib und zu Unterhaltung?

Und natürlich ist auch die Quantität ein wichtiger Faktor. Wie viele Stunden verbringt mein Kind mit digitalen Medien? Nach einer Empfehlung der Initiative „Schau hin“ gelten folgende Richtwerte:

  • 0-3 Jahre keine oder nur wenige Minuten
  • 3-5 Jahre höchstens eine halbe Stunde pro Tag
  • 6-9 Jahre maximal eine Stunde täglich
  • 10+ Jahre 10 Minuten für jedes Lebensjahr + eine Stunde pro Tag


Allgemein gilt die Aussage: ab vier Stunden Medienkonsum täglich spricht man von Sucht!

Für suchtbedingtes Verhalten sind besonders Jugendliche in der Pubertät anfällig. Hier beginnt die Suche nach der eigenen Identität, und diese Suche wird stark durch Medien beeinflusst. Das beginnt beim Schönheitsideal für Mädchen bis hin zur Selbstdarstellung, Beispiel Tiktok. Irgendwann bewegen sich die Jugendlichen nur noch in eigenen digitalen Gruppen, zu denen wir Eltern kaum noch Zugang haben und dort entsprechend auch nicht mitreden können. Die Maslowsche Bedürfnispyramide sieht dann auch entsprechend etwas anders aus:

Bedürfnispyramide, fachmännisch angepasst


Was können wir als Eltern tun? Wie sollen wir unsere Kinder begleiten?

Hierbei hilft ein kurzer Rückblick in unsere eigene Jugend. Wir hatten kein Tiktok, keine Smartphones, und Computer waren etwas für hoffnungslose Nerds:

Die guten alten Zeiten…

Hätten wir damals die Möglichkeit gehabt, unserer Lieblingsband live via Social Media zu folgen, hätten wir all die technischen Möglichkeiten gehabt, die unsere Kinder heute haben – wir hätten sie genutzt. Gar keine Frage! Und unsere Eltern wären dem äusserst kritisch gegenüber gestanden und hätten versucht, diesen neuartigen Medienkonsum einzuschränken – entgegen unserem Willen, versteht sich.

Und jetzt Zeitsprung: 30 Jahre später sind wir die meckernden Eltern, die unseren Kindern die Nutzung der digitalen Medien begrenzen wollen, begrenzen müssen – auf ein sinnvolles, gesundes Mass. Wie soll das funktionieren?

Mit Verständnis. Und Verständnis setzt Interesse voraus. Zeigt Interesse für das, was eure Kinder am Smartphone oder iPad tun! Welche Spiele spielen sie? Spielt sie doch einfach selbst mal, oder schaut ihnen dabei zu. Fragt sie, was sie gerade tun und schaut ihnen über die Schulter. Wer mitreden kann, ist im Loop und wer im Loop ist hat einen Einfluss auf das was die Kids da machen.


Braucht es Regeln im Umgang mit digitalen Medien?

JAAAA! Klar braucht es die. Und auch hier gab es wieder einen wertvollen Tipp: stellt die Regeln doch einfach gemeinsam mit euren Kindern auf. Wer an einem Regelwerk mitarbeitet, wird sich nachher auch viel disziplinierter daran halten. Wer selber Regeln aufstellt, wird auch mehr Verständnis für diese Regeln haben.

Gemeinsam Regeln aufstellen kann die Eltern in das Regelwerk mit einbeziehen. Wenn es heisst: „keine Smartphones beim Essen“, dann gilt das auch für die Eltern!

Man kann aber den Medienkonsum auch räumlich begrenzen. Zum Beispiel macht es Sinn, wenn die Nutzung von Smartphones bis zu einem gewissen Alter nicht im Kinderzimmer erlaubt ist, sondern nur in gemeinsam genutzten Familienräumen. So behalten wir als Eltern auch ein bisschen den Überblick, was die Kinder da so tun.

Ausserdem sollten auch feste Zeiten ohne Bildschirm definiert werden. Das kann die Mittagspause zwischen zwei Schulblöcken sein oder auch der Abend, der als gemeinsame Familienzeit definiert wird. Auch hier gilt wieder, dass wir Eltern mit gutem Beispiel vorangehen sollen. Wir können nicht unseren Kindern eine medienfreie Mittagspause verordnen und selbst die ganze Zeit am Smartphone hantieren!


Gesetze und die digitalen Medien

Ganz zum Schluss des Vortrages wurde es dann auch noch juristisch. Was gilt es hier zu beachten?

Andrea Brönnimann erläuterte dies anhand eines Vorfalles aus der jüngsten Vergangenheit an einer Schweizer Primarschule. Ein elfjähriges Mädchen hatte ein Nacktfoto von sich gemacht und es an einen gleichaltrigen Jungen geschickt, in den sie unsterblich verliebt war. Natürlich war dieser Junge Mitglied in einem Fussballverein und hat das Nacktfoto in den Fussball-Gruppen-Chat gestellt – war ja soooo vorhersehbar! Was aber viele nicht wissen: ab 10 Jahren sind Kinder strafmündig. Und das Erstellen und Verbreiten von Nacktfotos unter 16-jähriger gilt juristisch als Straftatbestand der Kinderpornografie. Wer solches Bildmaterial empfängt und weiterverbreitet, macht sich dann auch noch strafbar und so nahm das Drama seinen Lauf: Die Polizei tauchte auf und konfiszierte sämtliche Smartphones und das Jugendgericht beschäftigte sich intensiv mit diesem Fall. Es wurden in der Folge an alle Beteiligten Jugendstrafen verhängt. Das Argument, man hätte ja nicht gewusst, dass man sich strafbar macht, zählte natürlich nicht: Dummheit schützt vor Strafe nicht!

Aber auch vermeintlich harmlose Sachen können durchaus ein juristisches Nachspiel haben. So fängt Cybermobbing oft mit kleinen Bemerkungen im Gruppenchat an: „Amelie ist doof und ich hasse sie.“ Ist das jetzt bereits strafbar? Ja! Nämlich genau dann, wenn Amelie sich dadurch beleidigt fühlt.

Also: erklärt euren Kindern am besten an genau solchen Beispielen, dass man andere nicht beleidigt – auch nicht digital, und dass Nackifotos in einem Gruppenchat nichts verloren haben und man sie am besten gar nicht erst macht.

Sexuelle Belästigung im Internet – Cybergrooming

Hier wurde die Referentin deutlich: Kinder sind beim Thema online Sicherheit oft sehr naiv. Während sie im Umgang mit digitalen Medien meist sehr versiert sind und halbprofessionelle Filme bei Tiktok einstellen können, brauchen sie in puncto online Sicherheit unsere enge Begleitung. Besondere Vorsicht gilt, wenn sich Kinder mit jemandem treffen wollen, den sie in einem online Chat kennengelernt haben. Tipp: erst Video Chat mit der Person vorschlagen. Wenn dann tausend Ausreden kommen ist der Fall klar.

Und wenn doch mal was passiert ist: die Referentin rät, Kinder nach Betrug nicht zu bestrafen, sie sind durch den Betrug schon bestraft genug und oft ist es ihnen ausserdem äusserst peinlich. Also: statt Bestrafung das Gespräch suchen und Verständnis zeigen. Dem Kind wird das nie wieder passieren, es hat seine Erfahrungen gemacht.

Fazit

Wir als Eltern können die digitale Mediennutzung unserer Kinder ähnlich begleiten wie das Velofahren. Hilfestellung geben, dabei sein, unterstützen und sanft Einfluss nehmen. Digitale Medien sind kein Teufelszeug. Unsere Kinder brauchen diese Medien, die meisten werden sie später intensiv beruflich nutzen.

Regeln sollten gemeinsam aufgestellt werden. Und die Kinder sollten sich ihrer Fussspuren im Internet stets bewusst sein. Die meisten potentiellen Arbeitgeber googeln Bewerber zunächst. Und wenn sie dann zweifelhafte Informationen, Sauf- und Partybilder des Bewerbers zum Beispiel auf Facebook finden, was meint ihr: wird der Bewerber die Stelle bekommen?